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Cover: Käthe, meine Mutter, Neuausgabe 2005Marianne Krüll
Käthe, meine Mutter
288 S., 64 Fotos, 3 Familientafeln, 2 Karten
Christel Göttert-Verlag, Rüsselsheim, 2001, 2. Auflage 2002.
ISBN 3-922499-52-X
Euro 22,50 vergriffen

Neuausgabe als Taschenbuch
Christel Göttert-Verlag, Rüsselsheim, 2005
ISBN 3-922499-78-3
Euro 17,00
Abb.Neuausgabe 2005

 

Inhalt    Verlagsankündigung    Rezensionen

 
 



Inhalt:

VORBEMERKUNGEN
DANK
Mutter Anna aus dem Spreewald
Vater Richard aus Westpreußen
Anna und Richard in Berlin
Käthes Geburt
Kindheit im Ersten Weltkrieg
Vater Richards Weggang aus der Familie
Käthe in der Jugendbewegung
Emil Höppner aus Pommern
Emils Wanderjahre mit den Christlichen Pfadfindern
Emils erste Liebe
Käthe und Emil in Berlin
Verlobungszeit in der Laubenkolonie
Geburt der Tochter Marianne
Der Traum vom Haus
Privates Glück im Krieg
Geburt der Tochter Christine
Leben im Bombenkrieg
Der Glaube an den "Endsieg"
Neuanfang
Schwager Willis Heimkehr
Willis Trennung von Käthe und Emil
Wiederbegegnung mit Vater Richard
Vater Richards reiche Heirat
Tochter Mariannes Aufbruch
Neues Haus und erste Reisen
Das große Zerwürfnis
Mutter Annas Tod
Schwiegersohn und Enkeltöchter
Vater Richards letzte Jahre
Das Nicht-Erbe
Im letzten Haus
Käthes Tod
Mariannes Aufarbeitung
Emils "Zweiter Frühling"
Emils Tod
Schatten der Vergangenheit
Ausblick
ANHANG

Seitenanfang

 
 


Verlagsankündigung:

Mit der Geschichte ihrer Mutter Käthe wendet sich Marianne Krüll nach ihren vielbachteten Biographien über die Familien von Thomas Mann und Sigmund Freud nun ihrer eigenen Familie zu. Ein ganzes Jahrhundert blättert sich auf, deutsche Zeitgeschichte in Ost und West wird sichtbar, aber vor allem begegnen uns Frauenleben in ihrer Verschiedenartigkeit und Ähnlichkeit.

Kindheit im Ersten Weltkrieg, Jugend in der Wandervogel-Bewegung, Familienleben in einer Berliner Laubenkolonie, Überleben im Bombenkrieg, Neuanfang nach 1945, Krisenstimmung während des "Kalten Krieges" in der geteilten Stadt, Auseinandersetzungen mit der Tochter während der Zeit der Studentenunruhen - das sind wichtige Stationen im Leben der Mutter. Auf ihrer Spurensuche entdeckt die Tochter ihr bis dahin unbekannte Zusammenhänge und verändert allmählich ihr Bild von der Frau, die ihre Mutter war.

Doch mit der Frage "Wer war meine Mutter?" stellt sich Marianne Krüll auch ihrer eigenen Geschichte. Mutig deckt sie ihre Verstrickungen auf, benennt ihre Vorurteile, schildert das große Zerwürfnis mit ihrer Mutter, analysiert ihre Schuldgefühle, die sie nach dem Tod der Mutter belasteten - und zeigt einen Weg auf, wie der in patriarchalen Gesellschaften allgegenwärtige Mutter-Tochter-Konflikt durch das einfühlende Verstehen der gemeinsamen Geschichte umgewandelt werden kann in Frauen bestärkende Kraft.

 
 


Rezensionen:

"Familiendynamik" 2/2003, S. 265-267 Almuth Massing
... Marianne Krüll geht es darum aufzuzeigen, "wie die Schicksale der Menschen in den Vorgenerationen mit denen der Nachfahren verbunden waren", (um) prägende Einflüsse aufzuspüren, die unerkannt in der Gegenwart wirksam bleiben und hierdurch Zukunft blockieren. ...
Feministisches Prinzip ist bei ihr erkenntnisleitend. Ihre Wanderung führt durch Räume, Orte, Landschaften und Zeiten. Die Familientafeln und alten Landkarten im Anhang, die ausgesuchten Fotos wie auch das konkrete Aufsuchen der Lebensorte ihrer Familien laden uns zur Teilnahme ein. ... Marianne Krüll ist sich der Gratwanderung bewußt, wenn sie den zu schützenden persönlichen Raum verläßt und uns Fremde die Tür zu ihrer Familie - zentriert um Mutter und Tochter - weit öffnet.
Doch diese intime Einladung bewirkt Zentrales: Die Autorin schneidet der Leserin und dem Leser den Weg ab lediglich, voyeuristisch oder beurteilend zu bleiben. Die Leserin und der Leser geraten unbemerkt in einen Sog, mit ganzer Seele im Netzwerk der eigenen Familiengeschichten eingefangen zu wein. Und hiermit mutet Marianne Krüll uns einen beschwerlichen Auseinandersetzungsprozeß zu. Vordergrund (Buch) und Hintergrund ( eigene Biographie) verschwimmen ineinander. ... Anteile der eigenen Lebensgeschichte sind dieser zuzuordnen, um wieder die Aufmerksamkeit auf Marianne Krüll und Käthe, ihre Mutter, zu richten. ... Marianne Krülls Stilmittel, Zwiesprache mit den Personen ihrer Biographie, insbesondere mit ihrer Mutter und "der Mutter in mir" zu halten, bewirkt ..., daß auch eine anhaltende Zwiesprache zwischen der Autorin und der Leserin oder dem Leser als auch mit den Personen der jeweils eigenen Biographie entsteht.
Dieser Prozeß ist einer der stärksten Eindrücke, die das Buch hinterläßt. Die Versuchung liegt immer wieder nahe, Schmerzliches, Verletzendes, Empörendes, Ideologisches, Anmaßendes, Verbittertes "nur" bei Marianne Krüll zu sehen oder auf sie abzuwälzen. Hierzu eignen sich vor allem die vielfältigen, teils kaum erträglichen Szenen in dem Kapitel um das Zerwürfnis von Marianne Krüll und ihrer Mutter, in dem sich beide Frauen in ihrer Unerbittlichkeit nichts nachstehen und sich nichts schenken. ... Eine weitere Versuchung, dem Eigenen zu entgehen liegt darin, Marianne Krülls Biographie quasi wie eine "Fallvorstellung" in einem Seminar mit psychoanalytischen, familientherapeutischen oder soziologischen Hypothesen zu interpretieren oder aber sich als "jüngere Schwester" dieser älteren Schwester durch Entwertungen zu erwehren. Ein dergestaltes Ausweichen als Widerstand gegen die Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie zu entlarven ist Zumutung und Herausforderung dieses ergreifenden Buches. ...
Das fasziniernd gestaltete bibliographische Buch von Marianne Krüll "Käthe, meine Mutter" ist ein an- und aufregendes Dokument einer lebenslang anhaltenden Trauerarbeit. Es rührt an, macht neugierig, läßt auch abschrecken, aber dann erkennen, daß eine solche Trauerarbeit all ihren weichen und harten Facetten den Weg bereitet, um Frieden zu schließen. Marianne Krülls Prozeß um ihre Mutter Käthe gibt Auskunft darüber, daß heftigste Auseinandersetzungen zwischen uns und unseren primären Bezugspersonen diese nicht "töten", sondern zur Überwindung kindlicher Abhängigkeiten und entsprechender Allmachtsphantasien ernüchternd sind.
Marianne Krüll hat uns ihr höchst Persönliches anvertraut und lädt uns dazu ein, sich den eigenen Familienvermächtnissen anzunähern und sich von deren Sog zu befreien. ...

Virginia Frauenbuchkritik. Frühling 2002. Anke Schäfer.
Jede Frau ist eine Tochter
Liebe Marianne,
während meines Winterurlaubs habe ich Dein jüngstes Buch "Käthe, meine Mutter" mit Spannung gelesen. Es war genau die richtige Literatur für lange Winterabende. ... Du folgtest den Spuren Deiner Altvorderen, und ich folgte Dir auf Deinen Recherchereisen, die Du mit der Bahn und zum Teil mit dem Fahrrad unternommen hast. ... Du lässt Deine LeserInnen teilhaben an den Ausflügen, indem Du die Landschaften und Orte beschreibst, die Du vorfandest. ...
Dein Buch über Dich und Deine Mutter Käthe ist zwar eine subjektive, unspektakuläre Biografie, aber Du wünschtest mit dieser Geschichte der einen oder anderen Leserin eine Anregung zu geben, sich "ebenfalls einmal auf die Spurensuche nach der Geschichte der eigenen Mutter zu begeben." Ich habe mich als Leserin gern auf das Leben Deiner Käthe-Mutter eingelassen ...
Du erforschtest ihr Leben, ihre Ehe, ihre Träume, ihre Zeit als Tochter und später als Mutter zweier Töchter, und ich erfuhr immer wieder auch viel über Dich selbst. ... Du warst die Lieblingstochter Deiner Mutter, und dennoch, als Du 1963 glaubtest, Dich von ihrem mütterlichen Einfluss befreien zu müssen, warst Du ihr gegenüber so hart. Ich als unbedarfte außenstehende Leserin verstand Dich nicht. Ich nahm Dir ziemlich übel, dass Du so brutale Mütterschelte betrieben hast. Ich war der Meinung, dass Du kein Recht hattest, ihr weh zu tun, die so viel für Dich getan hat. Aber dann erinnerte ich mich daran, daß Du immer wieder betont hast, dass Du keine andere als diese Möglichkeit gesehen hast, Dich von Deiner geliebten Mutter zu lösen, um erwachsen zu werden.
Schön fand ich es dann doch, dass Du, nachdem diese Geschichte fertig geschrieben war, mit Käthe, Deiner Mutter, Frieden schließen konntest. Dafür ist es ein wichtiges und auch äußerlich ein wunderschönes Buch geworden, für das ich Dir sehr danke und dem ich eine große Verbreitung wünsche.
... Sei herzlich gegrüßt von Anke.

"Blattgold" Berlin 11/2001 Barbara Degen
"Jede Lebensgeschichte ist es wert, erzählt zu werden", so führt Marianne Krüll die Leserin in das "unscheinbare" und "bescheidene" Leben ihrer Mutter und in die Mutter-/Tochterbeziehung ein und macht damit von Anfang deutlich, dass es ihr nicht um spektakuläre, herausragende Geschichten und Erzählstränge geht, sondern darum, das Leben ihrer Mutter, eingebunden in eine größere Familiengeschichte, die politischen Zusammenhänge des 20. Jahrhunderts und den Hoffnungen und Wünschen von Frauen ihrer Zeit deutlich zu machen und so die Auswirkungen auf die eigene Geschichte zu erfassen.
Sehr schnell wird auch klar, dass die Autorin durch ihre Spurensuche auch versucht, sich von Selbstvorwürfen zu befreien: In Zusammenhang mit der Aufbruchbewegung der Frauen in der 68er-Bewegung kam es zu harten Auseinandersetzungen und Vorwürfen der Tochter gegenüber der Mutter, die einen Riss in der Beziehung zur Folge hatten, der bis zum Tod der Mutter nicht geschlossen werden konnte. Rückblickend ist Marianne Krüll diese harte, brutale Konfrontation mit den "Lebenslügen" der Mutter unverständlich, ihr Buch ist der Versuch, der Mutter gerecht zu werden, im Nachhinein Versöhnung zu leisten.
In der mütterlichen Familie gab es viele schriftliche Auszeichnungen und Fotos, die aufbewahrt wurden und die die erzählte Geschichte außerordentlich lebendig werden lassen. Die Erzählung beginnt mit ihrer Urgroßmutter Elisabeth, einer Bäuerin. Die Großmutter Anna ist am Anfang des 20. Jahrhunderts als Landmädchen in die Stadt gekommen. ... Sie wird Dienstmädchen und geht in eine Fleischerlehre ... Marianne Krüll hat die wichtigsten Orte besucht und politische Zusammenhänge recherchiert, so dass immer auch bunte Zeitbilder entstehen wie bei der Wandervogel-Bewegung, die im Leben der Ehe von Käthe eine große Rolle gespielt hat....
Käthe und ihr Mann wohnten und lebten im ärmlichen Verhältnissen, 24 Jahre lang in einer Laube in Berlin und werden von der Autorin als "kleine Mitläufer" des Nationalsozialismus geschildert ... Das höchste Ziel von Käthe ist ein eigenes Haus, für das sie riesige Anstrengungen in Kauf nimmt. ...Da ist es nur logisch, dass die unangenehmen Begleiterscheinungen im Nationalsozialismus wie die Judentransporte übersehen und später nicht mehr erinnert werden. ... Die Familie überlebt relativ unbeschadet die Kriegs- und Nachkriegszeiten. Danach wurde das Leben "wieder schön".
Mit dem Studium der Töchter ... holt die Brüchigkeit des eigenen Lebenskonzeptes ...die Mutter ein. Die Tochter - durch ihr Psychologie- und Soziologiestudium sensibilisiert - konfrontiert die Mutter mit deren eigener Lebenslüge von der intakten Familie, die durch alle Zeiten hindurch funktioniert hat und verliebt sich in einen Juden. Die Mutter ... reagiert außerordentlich scharf und ist nach den Schilderungen von Marianne Krüll nicht in der Lage, sich selbst und ihren Lebensentwurf kritisch zu betrachten.
Für die Autorin ist die Versöhnung mit der Mutter Quintessenz ihres Buches. ... Genau an diesem Punkt setzen meine eigenen Bedenken ein: Lässt sich ein so eminent politisches Problem wie die Auseinandersetzung der Töchtergeneration mit der nationalsozialistischen Müttergeneration tatsächlich durch eine derartige Versöhnung lösen? ... War es nicht historisch wichtig und überfällig, in einem explosiven Aufbruch die unglücklichen Zusammenhänge zwischen der Einbindung in den Nationalsozialismus, der Vorstellung der Frauen, sie seien "unpolitisch" und die damit verbundenen Lebenslügen zu sprengen?
Unabhängig von diesen Zweifeln hat Marianne Krüll ein Buch geschrieben, das unbedingt zum Lesen empfohlen wird. Ein Buch, das sich spannend, sorgfältig und differenziert, mit den Frauenbiografien des 20. Jahrhunderts beschäftigt, das dem Alltagsleben, den Wünschen und Hoffnungen der Frauen endlich den gebührenden Platz einräumt und die Leseinnen anregt, ihre eigenen Familiengeschichten unter dem Aspekt der Mutter- /Tochterbeziehungen und weiblicher Genealogien zu untersuchen. Das Buch ist auch äußerlich sehr schön geworden, grafisch hervorragend gestaltet. Das Fotomaterial ist hervorragend ausgesucht und gut platziert. Es entsteht ein sinnliches Lesevergnügen.

Schlangenbrut 74/2001 Andrea Blome
Wer war meine Mutter? Dieser Frage hat Marianne Krüll ein ungewöhnliches Buch gewidmet. Keine wissenschaftliche Abhandlung, keine Biografie im eigentlichen Sinn. Die Autorin deckt Familienzusammenhänge auf beginnend mit Anna, der Mutter ihrer Mutter, erkennt Lebensmuster in den Geschichten der VorfahrInnen und erzählt vom Frauenleben im Kontext der Jahrzente. "Käthe, meine Mutter" ist ein Zwiegespräch mit ihrer 1974 im Alter von 63 Jahren verstorbenen Mutter, es erzählt die Geschichte so wie die Tochter sie aus ihren Erinnerungen, aus Dokumenten, Briefen, Erzählungen von Verwandten rekonstruieren kann und sie sich bei unzähligen Reisen in die Vergangenheit vorstellt.
Die Soziologin dokumentiert damit auch die Geschichte einer Mutter-Tochter-Beziehung, die von einem schweren Zerwürfnis geprägt war, von Schuldgefühlen nach dem Tod und dem Versuch, auf der Spurensuche "die Mutter in mir" zu finden. Mit zuweilen beklemmender Ehrlichkeit schreibt sie über ihre Kämpfe mit der Mutter. "Alles was in meinem Leben schiefgelaufen war, meinte ich, dir ankreiden zu müssen." Erst viel später erkennt sie, wie sehr ihr Konflikt mit der Mutter einem typischen Muster in patriarchalen Gesellschaften entspricht, wie sie sich eingereiht hatte in die "Mutter-Schelte, mit der man den Müttern alle Schuld an den Missständen in der Familie zuschreibt".
Marianne Krülls Buch macht neugierig auf die alten Fotokisten, auf die Geschichten der eigenen Mutter, der Großmütter und Tanten. Und es will ein Beitrag sein zu einem "Mutter-Tochter-Versöhnungsprozess". "Nur die Versöhnung mit den Müttern und Vormüttern in unserer Familie kann eine tragende Basis liefern für Solidarität unter Frauen."

FemBio (www.fembio.org/news/buchtip.shtml) Buch der Woche August/September 2001 Luise Pusch:
... Die bekannte Familiensoziologin und Autorin von Bestsellerinnen über Familie Freud und Familie Mann knöpft sich hier ihre eigene Familie vor, mit Käthe, ihrer Mutter, als Mittelpunkt. In den Rezensionen heißt es gern, daß nicht nur das Leben berühmter Menschen interessant sei, und daß Marianne Krüll mit der Biographie ihrer Mutter einen schönen Beweis dafür erbracht habe. ...
Aber Käthe Höppner geb. Schiddel war ja immerhin die Mutter einer berühmten Frau - nämlich ihrer Biographin. Wir lesen das Buch auch, um mehr über Marianne Krüll zu erfahren, so wie wir in letzter Zeit Sigrid Damms Bestsellerinnen über Christiane Vulpius und Cornelia Goethe mit doppeltem Interesse gelesen haben. Das Leben von Christiane Vulpius, Cornelia Goethe und Käthe Schiddel ist interessant in sich, keine Frage, aber es wird doppelt interessant durch den Bezug zu einer anderen, weit bekannteren Persönlichkeit.
Das eigentlich Besondere an dem Buch ist nicht, daß die Hauptperson dem Publikum bis dahin unbekannt war. Bücher von - mehr oder weniger bekannten - Söhnen und Töchtern über gänzlich unbekannte Väter gibt es en masse, gerade in Deutschland hatten wir geradezu eine Epidemie von Väterbiographien zu verkraften. Ungewöhnlich und erfreulich ist, daß sich hier eine Frau auf ihre Mutter konzentriert statt auf ihren Vater. Auf so eine abstruse Idee kann auch nur eine Feministin kommen.
Ich habe aus der Lektüre viel erfahren über die Zeit und die Einflüsse, denen meine eigene Mutter (geb. 1918, sieben Jahre nach Käthe) ausgesetzt war, und viel über meine Freundin Marianne, die acht Jahre älter ist als ich. Am meisten hat mich das armselige, von dem Kind Marianne aber als glückselig empfundene Leben in der Spandauer Laubenkolonie bewegt, und das Überstehen der jahrelangen, ständigen Bombenangriffe in Berlin. Das wird ergreifend tapfer und lakonisch erzählt und hat mich (1944 in einer westfälischen Kleinstadt geboren und so dem Bombenterror knapp entkommen), bis in die Träume verfolgt. Einmal durchschlug eine Brandbombe Mariannes Bettcouch: "Ich schlief weiter auf der Couch mit dem Brandloch. Der Geruch ging lange nicht weg." Marianne war sieben Jahre alt...
Auch ich hatte, wie anscheinend die meisten Frauen im Patriarchat, einen ausgedehnten Konflikt mit meiner Mutter. Zum Glück konnten wir ihn ausräumen - inzwischen begegnen wir uns wie Schwestern.
Marianne Krüll verlor ihre Mutter 1974 ganz plötzlich, ohne sich mit ihr ausgesöhnt zu haben. Käthe war erst 63, Marianne 38 Jahre alt, verheiratet und selbst Mutter zweier Töchter. Dies Buch ist auch eine große, lange Trauerarbeit, eine "nachgetragene Liebe" (wie Härtling sein Buch über den Vater nannte), und das ist auch das Bewegendste daran: Der bei aller Kritik an der Nazi-Mitläuferin Käthe nie selbstgerechte Ton von Behutsamkeit, Liebe und Verstehenwollen, der das ganze Buch durchzieht.

EMMA Juli/August 2001 Ulla Lessmann:
Die "unbekannten Biographien unbekannter Frauen" statt die Heldengeschichten über berühmte Männer wollte Virginia Woolf lesen. Als Familiensoziologin hat Marianne Krüll schon das Beziehungsgeflecht der Familie Mann ("Im Netz der Zauberer") analysiert. Jetzt vertieft sie sich mit gleicher Akribie und Neugier in die Geschichte ihrer eigenen Familie, genauer: in die ihrer Mutter. Denn Mutter Käthes Leben und Herkunft ist exemplarisch für ein Frauenleben ihrer Generation. Aber Krüll will mehr als das: Sie will mit der Biographie über die eigene Mutter auch als Tochter mit ihr ins Reine kommen. Das Buch wird so zu einer Gratwanderung. Aber Krüll liefert dabei weder die Mutter noch sich selbst völlig aus und damit gelingt ihr das, was ihre erklärte Absicht ist: Die Nachkriegsgeneration der Töchter zu einem tieferen Verständnis und zur Versöhnung mit der Müttergeneration zu bewegen.

frauensachbuch.de Mai 2001. Marlies Hesse
Wer die erfolgreichen Biografien der Soziologin und Schriftstellerin über das Familiennetz von Thomas Mann oder über die ungelöste Vaterbindung von Sigmund Freud gelesen hat, wird sich zunächst fragen, was Marianne Krüll bewegt haben mag, die Lebensgeschichte ihrer Mutter aufzuschreiben. Dass die eigene Familiengeschichte ebenso interessant ist wie die von Berühmtheiten, offenbaren bereits die fesselnden Anfangskapitel des Buches, die sie ihren Vorfahren widmet. Im Blickfeld auf ein Jahrhundert Zeitgeschichte in Ost und West hat sie alle wichtigen Lebensstationen ihrer Mutter eingebettet. Damit eröffnet sie den Leserinnen zugleich die Möglichkeit, Parallelen oder Ähnlichkeiten zu ihrem Elternhaus zu ziehen. Gute und negative Erfahrungen werden wie von selbst wach und geben Anlass, emotionale Bindungen von Eltern und Kindern neu zu überdenken. Mit der Frage „Wer war meine Mutter?“ stellt sich Marianne Krüll (65) bewusst ihrer eigenen Geschichte, die für sie zu einer Art Gratwanderung wird. Viele Töchter der Nachkriegszeit sehen ihre Mutter ebenso beschrieben wie Käthe: eine unscheinbare Frau, die den Zeiten entsprechend „einfach“ und „bescheiden“ lebte.
Für die Auseinandersetzung mit ihrer seit über 25 Jahren verstorbenen Mutter wählte die Autorin die Form der direkten Ansprache, so als könne sie ihr noch Fragen stellen. Die Erzählungen über die Vergangenheit gewinnen dadurch an kraftvoller Intensität. Ihre Recherchen führen sie in viele Orte und auf Fährten zu dem, was Familie bedeutet. Bei Verwandten und Freunden betreibt sie Nachforschungen. Mit der ergänzenden Foto-Auswahl lässt sie einen Eindruck vom Äußeren der beschriebenen Personen lebendig werden. Vor allem sind es aber Briefe und Tagebuchaufzeichnungen, mit denen sie den bisher ihr unbekannt gebliebenen Teil des Lebens ihrer Mutter rekonstruiert. Mühsam hat sie alles zusammengetragen, was sie über ihre Herkunft erfahren konnte. In vergoldeten Bildern entfaltet sie das Paradies einer behüteten Kindheit. Sie wird sich wieder all der Gefühle bewusst, die sie seit jungen Jahren empfand. Schicht um Schicht deckt sie verschüttete Erinnerungen auf. Unerschrocken stellt sie sich den Verstrickungen und dem großen Zerwürfnis mit ihrer Mutter in ihrer studentischen „Revoluzzerzeit“. Vorsichtige Annäherungsversuche gab es zwar anschließend, aber zu einer Versöhnung kam es nicht mehr. „Wir waren beide gefangen in den Mauern, die jede um sich herum aufgerichtet hatte“, schreibt sie. Mit großer Offenheit schildert die Autorin ihre Gefühle der Ablehnung und Befreiung von der Mutter, lastet ihr auch noch in der Erinnerung Fehler an. Andererseits gesteht sie ein, die Mutter unnötig verletzt zu haben. Für den Schock und die Trauer, die der frühe Tod der Mutter in ihr auslösten, findet sie ihren ganz persönlichen Ausdruck. Sich von Selbstvorwürfen zu lösen, gelingt ihr erst bei ihrer Spurensuche in die Vergangenheit und durch die schriftliche Aufzeichnung der Erlebnisse. Verständlich, dass sie sich dabei oftmals so vorkommt, als schriebe sie nicht über sich selbst, sondern über eine andere, ihr fremde Person. Doch gerade aus der Darstellung widerstreitender Gefühle gewinnt das Buch an Lebendigkeit und Authentizität.
Der Frauenbewegung verdankt sie es letzthin, den Konflikt mit ihrer Mutter als Auswirkung einer patriarchalen Gesellschaft richtig einzuordnen. Immer mehr begriff sie, welche Kraft Mütter noch vor Jahrzehnten entwickeln mussten, um ihr Leben zu meistern. Von daher gesehen ist es verdienstvoll, dass Marianne Krüll inzwischen Frauen in Seminaren die Erkenntnis vermittelt, dass keine noch so erstarrte Mutter-Tochter-Beziehung in einer Verhärtung stecken bleiben sollte.

Marlies Hesse ist Geschäftsführerin des Journalistinnenbundes. Seit vielen Jahren engagiert sie sich in verschiedenen Netzwerken. Ihr Schwerpunkt liegt beim Thema „Frauen und Medien“

"Rüsselsheimer Echo" Mai 2001. Madeleine Heckmann:
Auf denSpuren der eigenen Mutter wandelt die Autorin Marianne Krüll in ihrem kürzlich im Christel-Göttert-Verlag erschienenen Buch "Käthe, meine Mutter". Dass die durch ihre erfolgreichen Biografien über Sigmund Freud und Thomas Mann bekannte Schriftstellerin diese persönliche Lebensgeschichte nicht in einem großen Verlag, sondern trotz schlechterer Konditionen im Rüsselsheimer Frauenbuchverlag veröffentlichte, liegt an dem besonderen emanzipatorischen Verlagsprogramm.
Die Bücher von Christel Göttert sind nicht nur äußerlich kleine Kunstwerke, sondern stricken auch Frauenbande. Jede Veröffentlichung präsentiert eine Philosophie, die Frauen an das Handeln und Denken anderer, im Weltenlauf vorangegangener Frauen anknüpfen lässt. Dass Frauen sich bei aller Unterschiedlichkeit akzeptieren, unterstützen und voneinander lernen, ist das Grundanliegen. Frauen sollen sich nicht an Männern messen, sondern eigenes Selbstbewusstsein entwickeln. Alles andere nutzt nur dem Patriarchat. Der eigenen Mutter kommt dabei freilich eine besondere Rolle zu.
Käthe, die Mutter von Marianne Krüll, war keine Frau, die sich in irgendeiner Weise hervortat. Sie entstammt den um die Jahrhundertwende aus den Bauerndörfern Brandenburgs nach Berlin aufgebrochenen kleinen Leuten, die sich in der Großstadt ein besseres Leben versprechen und sich daher mehr schlecht als recht durchschlagen. Die Vergangenheit, die politische und persönliche, prägt sich in ihr Leben ein. Käthes Persönlichkeit und Werdegang erscheint in einem die Sippe umspannenden Familiennetz, in dem sich Lebensthemen in immer neuen Varianten wiederholen. Den Geheimnissen, Zerwürfnissen, Hoffnungen und Enttäuschungen der eigenen Eltern kann sich niemand entziehen. Sie wirken fort.
Die 1936 geborene Marianne Krüll hatte sich in der "Revoluzzerzeit" der 60er und 70er Jahre aus der sehr engen Abhängigkeit zu ihrer Mutter mit der damals üblichen Radikalität gelöst. Die übertriebene Anhänglichkeit wechselte in unangemessene Kritik über. Jahrelang herrschte Funkstille. Da Käthe unerwartet und früh starb, kam es zu keiner wahren Versöhnung.
Indem Krüll die Lebensstationen ihrer Mutter detailliert recherchiert und die Orte durchwandert, nähert sie sich ihrer Mutter wieder an. Sie entdeckt ihre Geheimnisse und intimsten Hoffnungen. Nicht ohne Schmerzen, denn zwei unglückliche Liebschaften machten Käthe das Leben schwer: eine voreheliche, die nicht gelebt werden konnte, weil Käthe gesellschaftlich nicht angemessen zu sein schien. Und eine während der Ehe mit Marianne Krülls Vater: Käthe hatte ein Verhältnis mit dem Bruder des Ehemanns.
Die Aufzeichnung dieses ganz gewöhnlichen Lebens ist nicht weniger packend als das einer Berühmtheit. Sie zeigt, wie verletzlich Menschen sind und wie sehr jeder mit seinen Vorfahren mehrerer Generationen verbandelt ist, ohne sich dessen bewußt zu sein.

"General-Anzeiger Bonn" Mai 2001. Susanne Haase-Mühlbauer:
Bekannt geworden ist sie mit ihren Biografien über die Familien Thomas Mann und Sigmund Freud. Aus der Überzeugung, dass es "genau so spannend ist, die Geschichte einer einfachen, schlichten Frau biografisch darzustellen wie die Großen", hat die Bonner Schriftstellerin, Soziologin und Psychologin Marianne Krüll einen weiteren Lebensweg nachgezeichnet. Bei ihrer Lesung (des) Montag-Clubs ... im Frauenmuseum stellte sie nun einige Auszüge jener Biografie vor, die die Geschichte einer Frau beschreibt, die zwei Weltkriege durchlebt hat. Eng verbunden ist diese Geschichte mit der Berlins. So wird die Biografie auch ganz nebenbei zu einem Stück authentisch erzählter deutscher Geschichte. Aber das scheint die Autorin nicht an erster Stelle gereizt zu haben. In der Frauengestalt der Protagonistin Käthe entdeckt die Feministin Marianne Krüll ein Spiegelbild der "patriarchalischen Gesellschaft." Und Krüll erzählt die ganz persönliche Geschichte einer Suche. Es ist die Suche nach der Geschichte ihrer eigenen Mutter. "Käthe, meine Mutter" - so der Titel der Biografie - stellt viel mehr als ein Stück neugieriger Ahnenforschung dar. Die Suche nach dem "Ich" der Mutter wird zur Suche nach dem eigenen "Ich"; die Biografie der Mutter wird mehr und mehr zur Lebensbeichte der Tochter. Marianne Krüll entdeckt: "Nur die Versöhnung mit unseren Müttern kann die Basis geben für die Solidarität der Frauen."

"WDR 5" (Rundfunk) Mai 2001: "Erlebte Geschichten. Es war immer Sommer".
Ankündigung der Sendung von Ulla Lessmann:
Die Bonner Soziologin und Schriftstellerin Marianne Krüll erzählt von ihrer Kindheit in einer Berliner Laubenkolonie. "Tsingtau" - nach der ehemaligen chinesischen Kolonie des deutschen Kaiserreichs - hieß die Laubenkolonie in Berlin Spandau, in der Marianne Krüll 1936 geboren wurde und aufwuchs. Das Holzhaus ohne fließend Wasser und mit Plumsklo war für die Tochter eines Tischlers und einer technischen Zeichnerin das Paradies einer unbeschwerten Kindheit schlechthin: Warmer Sand unter den Füßen, reife Himbeeren ohne Ende, frische Möhren aus der Erde: "Irgendwie war immer Sommer". Der Krieg war weit weg, und die seit den zwanziger Jahren Jugend- und wanderbewegten Eltern wanderten mit den Töchtern an der Ostsee und im Berliner Umland: Die Natur als Abenteuer. Aber Marianne Krüll sollte auch die ungelebten Bildungsträume ihrer Mutter nachholen, bekam programmatisch eine akademisch gebildete Patin und wurde eine extrem gute Schülerin - die von ihren Mitschülerinnen nicht besucht wurde, weil es in der Laube kein Klosett gab. Von den Leistungsanforderungen der Mutter konnte die fleißige Tochter sich Anfang der fünfziger Jahre befreien, als sie mit zu den ersten in der Nazizeit aufgewachsenen Jugendlichen gehörte, die zu einem "Re-Education" Programm in die USA geladen wurden. Die Wanderfreude und Naturliebe aber hat sich die spätere Akademische Rätin an der Universität Bonn und Schriftstellerin ("Im Netz der Zauberer - Eine andere Geschichte der Familie Mann") bis heute bewahrt.

Sammlung weiterer Besprechungen bei
http://www.christel-goettert-verlag.de/128-20---presse-info.htm


 
 
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