zurück zur Bücherübersicht
 
 

Marianne Krüll                                                                                                                         
Die Geburt ist nicht der Anfang.                                                                                      
             
Die ersten Kapitel unseres Lebens - neu erzählt                                                            

327 S. Mit 48 Fotos und Abbildungen.
Erstauflage: Ernst Klett Verlag - J.G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart 1989.     
ISBN 3-608-95696-4 (2. und 3. Auflage 1990).

Unveränderte Auflage als "Greif-Buch": Klett-Cotta, Stuttgart 1992.
ISBN 3-608-958681

4. durchgesehene Auflage mit neuem Vorwort: Klett-Cotta, Stuttgart 1997
ISBN 3-608-91877-9.


Vollständig überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe                                           geburt 2009 cover kl
unter Mitarbeit von Flora Frank
394 Seiten, gebunden, mit 45 Fotos und Abbildungen und einem Glossar.
Klett-Cotta, Stuttgart 2009 (August).
ISBN 978-3-608-94556-0.

Inhaltsverzeichnis und  Verlagsankündigung der Neuausgabe 2009 

 Aus dem Vorwort zur 4. Auflage 1997    Rezensionen

 

 
 

Seitenanfang


Inhaltsverzeichnis der Neuauflage von 2009:

Einleitung
Dank
 
Kapitel 1: Vom Anfang bis zum Embryo - die ersten acht Lebenswochen
  Die ersten sensomotorischen Verbindungen
  Das "Urgehirn" und die übrigen Teile des embryonalen Zentralnervensystems
  Schlußfolgerungen: Die Welt des Embryo
DIALOG I: Die Gentechnologie und wir
 
Kapitel 2: Mensch-Sein als Fötus - von der achten Woche bis zur Geburt
  Die motorischen und sensorischen Fähigkeiten des Fötus
  Das Zentralnervensystem des Fötus - Die Kortex-Entwicklung
  "Tiefenkommunikation" zwischen Mutter und Fötus - das vorgeburtliche Bonding
  Schlußfolgerungen: Die Welt des Fötus
DIALOG II: Was ist "Vererbung"?
DIALOG III: Zur Abtreibung
 
Kapitel 3: Die Geburt
  Veränderungen der Sinneswahrnehmungen während und kurz nach der Geburt
  "Tiefenkommunikation" - Das Bonding
  Das Zentralnervensystem während und kurz nach der Geburt
  Formen der Geburt
  Schlußfolgerungen: Die neue Welt nach der Geburt - Die Bedeutung der "Geburtskultur"
    für das Individuum und die Gesellschaft
DIALOG IV: Ein Brief an meine Kinder
 
Kapitel 4: Mensch-Sein vor der Sprache
  Das erste Lebensjahr in unserer Kultur
  Neurophysiologische Veränderungen in der vorsprachlichen Phase
  Mißhandlung und Vernachlässigung
  Das erste Lebensjahr auf Bali
  Schlußfolgerungen: Sozialisation in der vorsprachlichen Zeit und ihre
    Bedeutung für das Individuum und die Gesellschaft
DIALOG V: Über den Triebbegriff
 
Kapitel 5: Mensch-Sein in der Sprache
  Anatomische und neurophysiologische Voraussetzungen der Sprachfähigkeit
  Der Spracherwerb
  Die durch Sprache entstehenden Welten
  Sprache: Ursache und Weg zur Heilung psychischer Störungen
  Schlußfolgerungen: Sozialisation durch Sprache und ihre
    Bedeutung für das Individuum und die Gesellschaft
DIALOG VI: Von Müttermythen und Männermacht
 
Kapitel 6: Schluß: Ein neues Menschenbild
DIALOG VII: Gibt es Hoffnung?
 
Anmerkungen
Glossar
Nachweis der Abbildungen
Literatur

 
 

Seitenanfang


Verlagsankündigung der Neuauflage von 2009
:

Vom ersten Moment unseres embryonalen Daseins an stehen wir im Austausch mit unserer Umgebung. Wie entscheidend unser gesamtes Leben von unseren vorgeburtlichen und vorsprachlichen Erfahrungen geprägt wird, führt uns Marianne Krüll eindrücklich vor Augen: Ein überzeugendes Plädoyer für eine bewusste Rückbesinnung auf unsere früheste Erlebniswelt.

Anschaulich beschreibt das Buch, wie unser vorgeburtliches Leben, die Geburt und die ersten nachgeburtlichen Monate die Grundlage für unseren Zugang zur Welt bilden. Neueste Ultraschall- und gehirndiagnostische Verfahren gestatten uns faszinierende Einblicke in das Leben als Embryo und Fötus.
Marianne Krüll begleitet ihre Leserinnen und Leser auf einer Reise zu den Ursprüngen der eigenen Menschwerdung. Sie setzt sich dabei kritisch mit der klinischen High-Tech Geburtshilfe sowie den Fragen der Gentechnik und der Reproduktionsmedizin auseinander. Leidenschaftlich plädiert sie für ein ganzheitliches Menschenbild, das Körper, Geist, Selle und die soziale Umwelt in Einklang bringt.

"Das Buch wird verdientermaßen weite Kreise ziehen - zum Wohle vieler (noch ungeborener) Kinder und ihrer Mütter und Väter." Theresia Maria de Jong, Kommunikationswissenschaftlerin und Autorin.

Verlagsankündigung (mit Leseprobe und Interview):
http://www.klett-cotta.de/erziehung_buecher.html?&tt_products=840

http://blog.klett-cotta.de/sachbuch/nachgefragt-die-geburt-ist-nicht-der-anfang/

Seitenanfang


Aus dem Vorwort der Autorin zur vierten Auflage 1997:

Ich freue mich, daß dieses Buch nach acht Jahren in einer Neuauflage erscheint, ist dies doch ein Zeichen für das wachsende Interesse an meiner Geschichte des Mensch-Werdens. Das gibt mir wieder neue Zuversicht, daß die von mir angestrebte Veränderung unseres Menschenbildes hin zu mehr Einfühlung und sozialer Verantwortung für die Behandlung unserer ungeborenen und neugeborenen Kinder doch voranschreitet.
In den letzten Jahren habe ich nämlich den Eindruck des genauen Gegenteils gewonnen: Gewinnbringende High-Technology in der vorgeburtlichen Betreuung und Geburtshilfe scheint zuzunehmen; es gibt viele Fälle von Verunglimpfung und sogar strafrechtlicher Verfolgung von ÄrztInnen und Hebammen, die sanfte Methoden der Geburt und Neugeborenenversorgung anwenden; Hausgeburten werden als bedrohlich dargestellt, die nachweisbaren Gefahren von Klinikgeburten dagegen verschwiegen; die Eigenverantwortung der Schwangeren und Gebärenden wird weiterhin zugunsten eines Machtzuwachses von - überwiegend männlichen - "Experten" zurückgedrängt ...
Ich bedaure auch sehr, daß die von mir im vorliegenden Buch aufgezeigten Zusammenhänge zwischen der bei uns vorherrschenden Geburts-"Un"-Kultur und gesamtgesellschaftlichen Problemen wie Gewalt an Kindern, Zunahme von Suchtverhalten, generelles Ansteigen von irrationaler Angst, Sinn-Entleerung unserer Beziehungen - um nur einige zu nennen - viel zu wenig beachtet werden.
Vielleicht handelt es sich dabei aber auch nur um ein Wellen-Tief, das bald überwunden ist. Denn auch die vielen positiven Entwicklungen sind nicht zu übersehen: Veränderungen bei Frauen und auch bei immer mehr Männern der jüngeren Generation bezüglich ihrer Rollen in Familie und Gesellschaft; wachsendes kritisches Bewußtsein gegenüber Gewalt und Mißbrauch; zunehmendes ganzheitliches Denken ...
Möge mein Buch zu solchen Entwicklungen weiter beitragen!

Seitenanfang


Aus Rezensionen zur Neuauflage von 2009:

"GreenBirth e.V."    http://www.greenbirth.de/html/diegeburtistnichtderanfang.html  (Anna-Margarita Schepper)

Wer sehen möchte, wie sich wissenschaftliche Hingabe mit ethischer Aufmerksamkeit verbinden kann, greife zu diesem Buch. Hier ist es gelungen, ein umfangreiches interdisziplinäres Wissen über den Lebensanfang liebevoll zusammenzustellen und in verständlicher Form mitzuteilen. Mit dem Titel „Die Geburt ist nicht der Anfang“ zieht die Autorin den Vorhang auf, hinter dem bisher nicht beachtete Figuren und Zusammenhänge der vorgeburtlichen Lebenszeit sichtbar werden. Auf dieser Bühne erscheinen in sechs Akten die Zeit des Embryos, des Föten, die Geburtserfahrung, das Erleben vor der Sprache und in der Sprache und schließlich ein „neues Menschenbild“. Schauplätze sind das körperliche Geschehen, die psychischen Erlebnisdimensionen, die Mutter-Kind-Bindung, unsere Geburtskultur in Gegenüberstellung zu einer ganz anderen auf Bali, die Kultur des 1. Lebensjahres - auch mit einem vergleichenden Blick zur Kultur auf Bali, Sprache und „körperlich-sinnliche Innenwelt“ sowie Sprache und „soziale Außenwelt“.

Zu jedem Schauplatz wählt Marianne Krüll, von Hause auf Soziologin und feministisch engagiert, Material aus, das über konventionelles Wissen aus Biologie und Medizin, Psychologie und Sprachforschung hinausgeht. Durch die Quellenauswahl – Krüll widmet sich auch dem Studium der Hirnforschung und verschafft sich einen Überblick über Fragen der Gentechnologie und deren Anwendung - ergeben sich erfrischende Aufräumeffekte, z. B.:

„Wenn wir die ‚Geschichte’ unseres Mensch-Werdens mit dem vorgeburtlichen Leben beginnen, dann wird auch die Diskussion hinfällig, ob ‚genetische Anlage’ oder ‚Umwelt’ entscheidend sei. Denn in allerjüngster Zeit sind Genforscher zu der unerwarteten, sie selbst überraschenden Erkenntnis gekommen, dass unsere Gene zwar die Erbinformation enthalten, die aus einer befruchteten Zelle ein menschliches Wesen werden lässt, dass Gene aber von ihrer ‚Umwelt’, sprich den Zellen, in denen sie aktiv werden, oder den anderen Genen im Zellkern angeregt werden müssen, um sich zu ‚exprimieren’ (auszudrücken). Mit anderen Worten: schon in unserer allerfrühesten Zeit als Embryo waren wir von dem, was uns umgab, abhängig.“ (Krüll 1989/2009, S. 14)

Das hat natürlich weitreichende Konsequenzen für den Umgang mit Schwangerschaft überhaupt. Und so scheut sich Krüll auch nicht, Position zu beziehen und sich auf die Seite des Kindes zu stellen. Hierfür nimmt sie einen Kunstgriff vor: am Ende jedes Kapitels wechselt sie zu einem Dialog mit einem fiktiven Gegenüber. Gegenstand dieser Gespräche sind „Die Gentechnologie und wir“. „Was ist ‚Vererbung’, „Zur Abtreibung“, „Brief an meine Kinder“, „Über den Trieb-Begriff“, „Von Müttermythen und Männermacht“, „Gibt es Hoffnung?“ Im Dialog nimmt sich die Autorin Zeit zum Nachdenken über weltanschauliche und persönliche Entscheidungen, vor denen jede werdende Mutter und ihr Partner irgendwann einmal stehen, und mit denen die Autorin diese nicht allein lässt, sondern für die sie ihnen Anregungen zur Reflexion und Beurteilung gibt.

So behandelt sie ihren Stoff und ihre LeserInnen, wissenschaftliche Ergebnisse und ethische Fragestellungen mit großer Sorgfalt, was allen gut tut, Eltern, Kindern und ExpertInnen.

 

"Dr. med. Mabuse"   Mai/Juni 2010. Theresia Maria de Jong:

Als die Soziologin Marianne Krüll das Buch "Die Geburt ist nicht der Anfang" 1989 zum ersten Mal veröffentlichte, war sie eine einsame Ruferin in der Wüste: Mit dem vorgeburtlichen Leben beschäftigten sich damals nur ganz wenige Experten, ansonsten herrschte größte Skepsis. Ein Bewußtsein im Mutterleib wurde überhaupt kategorisch ausgeschlossen und auch psychische Prägungen aus dieser Zeit wurden als unmöglich erachtet. Heute, zum Zeitpunkt der überarbeiteten Neuauflage, sieht es ganz anders aus. Neueste Ergebnisse der Gehirnforschung und auch von Beobachtungen per Ultraschall haben bewiesen, was vorher nur anhand von Fallgeschichten belegbar war. 
Marianne Krüll schildert die Welt Embryos von Anfang an detailgetreu und auf dem Stand der aktuellsten Forschungsergebnisse. Es ist ihr ein Anliegen, Ärzten, Hebammen - und letztlich jedem interessierten Leser - zu zeigen, welche Erfahrungen wir selbst in den ersten neun Monaten unseres Lebens gemacht haben. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen bekommen einige Probleme, mit denen wir als Erwachsene konfrontiert sind, eine neue überraschende Wende. Neue Lösungsmöglichkeiten bieten sich an.
Als Erwachsene haben wir beispielsweise immer noch dieselben Nervenzellen wie damals als Embryo. Das Gehirn strukturiert sich über die Sinneswahrnehmungen, die wir von außen im Mutterleib erfahren. Auch die Frage, ob unsere Persönlichkeit durch die Umwelt oder durch unsere Gene bestimmt wird, erhält durch das neue Wissen um die Zeit im Mutterleib eine neue Komponente. Die Autorin zeigt, wie sehr die Entwicklung unserer Sinnesorgane und unseres Nervensystems stets mit den Sinnesreizen im Austausch stand, denen wir von ersten Moment unseres Lebens an ausgesetzt waren. ... Je früher bestimmte Erfahrungen gemacht werden, umso grundlegender beeinflussen sie den Aufbau unseres Gehirns und prägen sich dementsprechend ein.  ... Aber auch die unterschiedlichen Erfahrungen der Geburt beeinflussen unser Leben, wie die Autorin anhand wissenschaftlicher Forschungen belegt. So konnte nachgewiesen werden, daß es beim Synapsenwachstum im Gehirn offenbar kritische Phasen gibt - die Geburt ist eine solche.  ... Es ist keineswegs egal, wie wir auf dieser Welt "ankommen". ...
Nach der Lektüre des Buches gibt es keinen Zweifel mehr: Schwangerschaft und Geburt sind Phasen mit höchster Prägekraft und bedürfen daher der liebevollen und empathischen Begleitung und Unterstützung. ... Der Autorin ist es gelungen, sprachlich anregend und spannend die Entwicklung des Menschen von Anfang an zu beleuchten und dabei herauszuarbeiten, wie bedeutungsvoll dieser Anfang für unser weiteres Leben ist.

"Socialnet"  www.socialnet.de/rezensionen/8639.php,  Januar 2010   Prof. Christina Jasmund

Frau Krüll hat dieses Buch als Überarbeitung ihres in den 80ziger Jahren veröffentlichten und mehrfach aufgelegten Buches auf Anfrage des Verlages Clett-Kotta geschrieben. Es enthält neben einer umfassenden Aktualisierung des wissenschaftlichen Forschungsstandes auch ihre persönliche Wertung gegenwärtiger medizinischer Praxis und gesellschaftlichem Konsens als gesellschaftskritische Auseinandersetzung. ...
Frau Dr. Krüll unterstützt durch Ihr Buch eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit diesem Thema. Menschliche Entwicklung aus entwicklungspsychologischer Sicht konsequent als Kulturprodukt zu begreifen ist in der Wissenschaft noch ein junger Standpunkt und steht auch heute noch dem (übermächtigen?) Lager der Vererbungstheorie gegenüber. Dieser permanente theoretische Streit bildet die ethische Grundlage für unseren Umgang mit diesem Abschnitt im Leben jedes Menschen. Unsere Einstellung und Haltung, beeinflusst durch dieses Menschenbild, hat Auswirkungen auf die Gestaltung dieser Zeit. Sie lenkt Schwangere und ihre soziale Umwelt, entscheidet wo und wie die Geburt verläuft, in welche Abhängigkeiten sich Gebärende dabei begeben oder nicht und bestimmt das Sozialverhalten der Bezugspersonen kleiner Kinder. Sie beeinflusst später die Art der frühkindlichen Betreuung und der Schulform, den Weg des Hineinwachsens eines Menschen in unsere kulturelle Gemeinschaft. Wer versteht, dass in diesem sozialen Prozess jedem Kind die gleichen Chancen seiner individuellen Entwicklung zustehen, wird einen kritischen Blick auf die derzeitigen gesellschaftlichen Bedingungen der Sozialisation unserer Kinder werfen.
Fazit
Marianne Krülls
Buch stellt eine faszinierende Kombination aus entwicklungspsychologischer Fachliteratur, feministischer Streitschrift und einem spannenden Abenteuerroman unserer Ontogenese dar und ist ein echtes Lesevergnügen. 
Der fachliche Teil ist hochaktuell, wissenschaftlich fundiert und verständlich abgefasst. Ein anderer Fokus wird über Streitgespräche, dem Vergleich von unterschiedlichen Geburtskulturen und den Auswirkungen von sozialen Bedingungen auf Schwangerschaft, Geburt und frühkindlicher Entwicklung angeboten. Der letzte Blickwinkel erinnert leise an eine Reise ins ICH.
Dieses Buch ist viel mehr als eine reine Fachliteratur. Es ist ebenso eine Aufklärungsschrift für einen bewussten Umgang mit Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft und sollte darum nicht nur in den Bibliotheken der einschlägigen Fachrichtungen sondern auch in Elternschulen, Schwangerenberatungszentren und bei interessierten jungen Eltern und ihren Familien ankommen. Es bietet neben der soliden Wissensvermittlung eine kritische Auseinandersetzung mit eigenen Haltungen und vorhandenen medizinischen und sozialgesellschaftlichen Strukturen.

"Bzw-weiterdenken"   http://www.bzw-weiterdenken.de/index.php?m=artikel&rub=7&tid=240,   Dezember 2009  Juliane Brumberg

Marianne Krüll hat ihr Buch "Die Geburt ist nicht der Anfang", das im Jahr 1989 zum ersten Mal erschien, völlig überarbeitet und neu herausgegeben. Sie vertritt die spannende These, dass eine Veränderung der Geburtskultur in den modernen Industrieländern eine Möglichkeit oder vielleicht sogar die Voraussetzung für eine menschenfreundlichere Gesellschaft ist. Die bei uns üblichen technisch überwachten Geburten in die Kühle eines Krankenhaussaals mit dem anschließenden Untersuchungsprocedere würden für den kleinen Säugling, der aus der warmen Höhle des Uterus kommt, einen solchen Schock bedeuten, dass sich in seinen Gehirnstrukturen eine Urangst verankere, die mit dem Verstand nicht fassbar sei. Dies gälte insbesondere für eingeleitete und Kaiserschnitt-Geburten, die mittlerweile dreißig Prozent aller Geburten ausmachten. Marianne Krüll ist überzeugt davon, dass diese "übermächtigen irrationalen Ängste unsere sozialen Beziehungen zu einzelnen, in Gruppen und ganzen Völkern vergiften", und ich verstehe ihr Buch als Plädoyer für einen freundlicheren Empfang der neuen Menschen bei ihrer Geburt.
Dieses Plädoyer hat sie gründlich erarbeitet und zunächst mit medizinischem Detailwissen und erklärenden Grafiken beschrieben: wie sich ein Menschlein und seine Organe von der Zeugung bis zur Geburt im Uterus entwickeln, wann sich Gleichgewichtsempfinden, Fühlen, Hören und Sehen herausbilden und wie schließlich in einer Art Tiefenkommunikation ein vorgeburtliches Bonding, eine Beziehung zwischen Mutter und Fötus entstehen kann. Da die Autorin diese hochkomplexen Prozesse in einer einfachen Sprache erklärt und mit persönlichen Erfahrungsberichten anschaulich macht, ist das Buch für werdende Mütter und Väter eine lohnende Begleitlektüre während der Schwangerschaft, zur Vorbereitung auf die Geburt und für die ersten Lebensjahre des neugeborenen Kindes. Denn auch hier beschreibt sie sehr fundiert die neurophysiologischen Veränderungen bei den ersten Anfängen der selbstständigen Erkundung der Welt sowie die Prozesse beim Spracherwerb.  ...
Leidenschaft und Gründlichkeit zeichnen das Buch aus. Ich habe es als ein bewusst emotionales Buch wahrgenommen - zum Wohl unserer Kinder und unserer Beziehung zu ihnen. Marianne Krüll prangert an, dass "Angst die treibende Kraft ist, die Schwangere motiviert, sich in die vermeintlich sichere Obhut der Klinikärzte und ihrer Apparatemedizin zu begeben, ohne zu bemerken, dass Angst auch die Ärzte treibt".
Nicht verwunderlich, dass in der Beschreibung des Beziehungsgeschehen um das Werden und Wachsen eines neuen Kindes die Möglichkeiten der modernen Fortpflanzungsmedizin nicht besonders gut wegkommen. Ich verstehe Marianne Krüll hier als Mahnerin und ich finde es wichtig, dass sie mahnt und auf die Konsequenzen für alle Beteiligten hinweist. Neben den Folgen für die Psyche widmet die Autorin sich ausführlich der Gentechnologie - und fällt ein erschüttertes und erschütterndes Urteil: Sie sieht die Menschheit durch die Gentechnologie existenziell bedroht. ...
Danach hat sich das Wissen in diesem Bereich im Jahr 2007, unbemerkt von der allgemeinen Öffentlichkeit, grundlegend verändert: Es gibt keine Gene mit feststehender DNA, die nur entschlüsselt werden muss und evt. künstlich "verbessert" werden kann. Vielmehr scheint es unzählige, diffizile Interaktionen zwischen Genomen und DNA-Sequenzen zu geben. Das Erbgut ist also nicht festgeschrieben, sondern in ständiger Veränderung, auch durch Einflüsse von außen. Alles ist mit allem in Beziehung. Die Autorin schreibt: "Alle Vorstellungen darüber, wie wir gesteuert sind, müssen wir aufgeben. Wir haben keine stabilen Gene von unseren Eltern geerbt, die in jeder unserer Zellen vorhanden sind, sondern unser Erbgut ist in ständigem Umbau begriffen." Sie meint, dass viele Forscher und die Hersteller der Produkte aus dieser Technologie die neuen Forschungsergebnisse ausblenden: "Das neue Wissen darüber, dass Gene nicht in der bisher gedachten Form existieren, wird ignoriert, um die Absatzchancen der Produkte nicht zu gefährden". Infolgedessen setzt sie hinter den Nutzen von Gentests während der Schwangerschaft ein großes Fragezeichen.
Hier die Aufmerksamkeit zu schärfen, halte ich für ein großes Plus des Buches!

Doch ergeben sich in meinen Augen auch zwei heikle Punkte bei der Beschäftigung mit diesem Buch. Den ersten, die Frage der Abtreibung, spricht Marianne Krüll bewusst an: Wird mit der ausführlichen Schilderung vorgeburtlichen Lebens Abtreibungsgegnern Material in die Hand gespielt? 
In einem der "Dialoge", mit denen sie die sachlichen Erklärungen der jeweiligen Kapitel abschließt, geht sie davon aus, dass fast jede Frau, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, Schuldgefühle hat, unabhängig davon, wie genau sie über die Entwicklungsphasen des Fötus in ihrem Körper, z.B. durch dieses Buch, Bescheid weiß. Marianne Krüll stellt fest, dass an jeder, auch einer ungewollten Schwangerschaft, immer auch ein Mann beteiligt ist und dass unsere patriarchale Kultur die mütter- und kinderfeindlichen Bedingungen geschaffen hat, unter denen Frauen Kinder großziehen müssen. Insofern sieht sie es als eine durchaus verantwortungsvolle Entscheidung, wenn eine Frau sich zum Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft entschließt, "denn ein Kind, das seinen Eltern, insbesondere seiner Mutter, eine Last ist, kann nur in Ausnahmefällen zu einem Menschen heranwachsen, der mit sich und der Welt eins ist". 
Unsicherer steht sie "empfohlenen" Abtreibungen bei einer gewollten Schwangerschaft im Zusammenhang mit der Pränataldiagnostik gegenüber und beklagt den zunehmenden gesellschaftlichen Druck auf Eltern mit einem behinderten Kind, "weil sie es doch hätten abtreiben können". Sie nennt das eine "neue Eugenik", die nicht weit von der der "Vernichtung unwerten Lebens" im Rahmen der Nazi-Ideologie entfernt ist. Deshalb beurteilt sie auch Gentests, um angeblich "defekte" Gene herauszufiltern, als höchst problematisch.
Sie selbst würde sich heute weigern, irgendwelche Vorsorgeuntersuchungen dieser Art vornehmen zu lassen, weiß aber, dass die sozialen, ökonomischen und psychischen Lebensbedingungen vieler Frauen dieser Haltung entgegenstehen und sie deshalb nicht ohne Weiteres zum Ideal erhoben werden kann.

Mit meiner zweiten "heiklen Anmerkung" denke ich an Situationen, in denen Mutter und Kind früher, ohne die heutigen Apparatemedizin, keine Überlebenschance gehabt hätten; und an die Frauen, deren Hoffnung auf einen natürlichen, stimmigen Geburtsablauf sich nicht erfüllen ließen. Ich halte es für ungeheuer wichtig, die Zeit "rund um den Anfang" in den Blick zu nehmen, so wie Marianne Krüll es getan hat und sich für möglichst natürliche Geburten einzusetzen. Andererseits kann das zu einem starken Druck für die Mütter werden, eine "perfekte" Geburt hinkriegen zu müssen. Deshalb halte ich es für ebenso wichtig, nicht zu konkrete Vorstellungen zu formulieren, sondern Mütter und Väter zu ermutigen, offen zu sein, für das, was geschehen wird, also im Zweifelsfall auch für Unterstützung durch die moderne Geburtsmedizin. Und darauf zu vertrauen, dass es vielfältige Möglichkeiten gibt, die Beziehung zu einem Kind gut zu entwickeln, auch wenn die Voraussetzungen nicht optimal sind.



"Die Auswärtige Presse e.V." Internationale Journalistenvereinigung Hamburg
http://die-auswaertige-presse.de/2010/03/die-geburt-ist-nicht-der-anfang/#more-518   März 2010   Götz Egloff

Die große Dame der Gender-Soziopsychologie Marianne Krüll hat ein herausragendes Werk über das Werden des Menschen vorgelegt. In gefühlvollem und klugem Ton führt sie in Welten ein, die manchem Menschen als weit entfernt liegend erscheinen mögen, deren unmittelbare Relevanz für das Leben jedoch größer nicht sein könnte.
Dass der Mensch ein historisches Wesen ist, ist nachvollziehbar. Dass der Mensch ein sprachliches Wesen ist, wer wollte das bestreiten? Dass schon früheste Erfahrungen – zurückreichend bis in den mütterlichen Uterus – Körpererinnerungsspuren hinterlassen, sind wichtige Erkenntnisse der prä-, peri- und postnatalen Psychologie. Kaum wird dies so plastisch dargestellt wie im Buch von Marianne Krüll. Mit einer fundierten biologischen Einführung eröffnet die Autorin den Raum für neurobiologische, psychologische und soziokulturelle Erkenntnisse und deren Relevanz im Blick auf das Werden des Menschen. Die Betrachtung des Anfangs des Lebens auf innerzellulärer Ebene, sozusagen von der Zygote, der ersten Zelle, an, stellt Grundlage und Prisma für die weiteren Überlegungen der Autorin dar. Medizinische Laien erhalten Einblick, Fachleute eine Auffrischung über die Entwicklung des Lebewesens auf molekularer Ebene. Das Thema Genexpression und zelluläre Entwicklung im Rahmen der Induktion durch die Umwelt bringt Licht ins Dunkel der zwischen Natur- und Sozialwissenschaftlern heftig geführten Anlage-Umwelt-Debatte....
Möglichkeiten und Grenzen der Plastizität neuronaler Netzwerke in der Hirnentwicklung stellt Marianne Krüll anschaulich dar. Der Blick auf die frühesten Erfahrungen des Embryos und des Fötus erweitert hierbei die Perspektive, wobei wichtige Erkenntnisse der führenden Pränatalpsychologen wie Thomas Verny, John Kelly und Ludwig Janus herangezogen werden. Einblick in die Zwillingsstudien von Allessandra Piontelli ergänzen die Überlegungen der Autorin. Neben der Darstellung der Motorik und Sensorik des Fötus werden dann die Implikationen der heute möglichen pränataldiagnostischen Verfahren erörtert, deren Relevanz in ihren Auswirkungen auf das Schwangerschaftserleben der werdenden Mutter nicht zu unterschätzen ist. Gerade wenn man bedenkt, wie viele verunsicherte schwangere Frauen ärztliche und psychotherapeutische Praxen aufsuchen, um angesichts der heutigen Möglichkeiten der Pränataldiagnostik Orientierung, vor allem aber Entlastung und Beruhigung zu erfahren, wird die Brisanz dieses Themas überdeutlich. Ob Chorionzottenbiopsie, Amniozentese oder andere Verfahren für die Patientin nützlich sein können, ist nur individuell auszuloten. Mit notwendigem kritischen Blick nimmt sich die Autorin dieses Themas an.
Und dieses Buch bietet noch mehr: Geburt und Geburtsformen werden dargestellt. ...die soziokulturellen Bedingungen des ersten Lebensjahres werden ... ausführlich behandelt und denen auf Bali gegenübergestellt – dies mit dem notwendigen Augenmaß in Bezug auf interkulturelle Vergleiche.
Ein ebenso eindrucksvoller Teil des Buches beschäftigt sich ausführlich mit der Sprachlichkeit des Menschen und der damit konstitutiven kommunikativen Funktion der Sprache als anthropologische Grundkonstante des Menschseins. Auch hier finden anatomische und neurophysiologische Grundlagen ihren Platz. Die Sprache als Akt des Handelns und als Gefühlsausdruck werden beleuchtet und in kommunikationstheoretische Zusammenhänge eingebettet (Bateson). Symbolisierungsfähigkeit und Ich-Du-Unterscheidung, also Selbst- und Objektdifferenzierung, in der kindlichen Entwicklung stellt Marianne Krüll besonders spannend und anhand von höchst anschaulichen Fallbeispielen dar. Wie sehr Sprache psychische Wirklichkeiten konstruiert, wird eindrücklich erläutert. Dass psychische Störungen eben auch als Sprachspiele verstanden werden können und somit auch als kontextabhängige Symbolisierungsleistungen, deren Interpretation ebenso kontextabhängig ist, macht dieses Buch ebenso deutlich. ...
Ein Ausblick und Kontakthinweise zu verschiedenen Fachgesellschaften sowie ein Glossar für medizinische Laien runden das Werk ab. ... (Eine) eindrucksvoll gelungene Zusammenschau biologischer, tiefenpsychologischer und systemtheoretisch-konstruktivistischer Aspekte der menschlichen Entwicklung, die immer praxisorientiert und lebensnah auftritt, ohne vielschichtige Zusammenhänge unnötig zu vergröbern.
Besondere Würdigung gilt dem Stuttgarter Klett-Cotta Verlag, der mit der Veröffentlichung dieser komplexen Verknüpfung aus anthropologischer Grundlagenschrift und Synopsis angewandter Forschung wiederum die, wie das Buch zeigt, unnötige Lücke zwischen Natur- und Kulturwissenschaften schließt. Dieses großartig gelungene Werk ist wärmstens zu empfehlen.


Aus Rezensionen zu den ersten Auflagen:

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" März 1990. Willi Köhler:
Was ist das Ungewöhnliche (an Marianne Krülls neuem Buch)? Die Zusammenstellung aktueller Forschungsergebnisse, empirisch erhobener biologischer Befunde, gründlicher Literaturrecherchen, persönlicher Bekenntnisse und wertender Betrachtungen. Auf kompakte wissenschaftliche Passagen folgen stets "Dialoge" der Autorin mit fiktiven Gesprächspartnern, Einschübe, in denen ethische, soziale und politische Folgerungen aus dem eben Dargestellten verhandelt werden.
Auch in diesem Buch, wie schon in ihren früheren, greift Marianne Krüll das Thema der gesellschaftlich produzierten Menschenbilder auf. Nach ihrer Ansicht sind auch die Einstellungen zur Geburt und zur intrauterinen Entwicklung des Ungeborenen von den jeweils sozial vereinbarten Menschenbildern geprägt. ... Sie (schlagen sich) nicht nur im Verhalten gegenüber dem "werdenden" Menschen nieder, sondern auch im wissenschaftlichen Interesse an den Entwicklungsvorgängen im Mutterleib.
Marianne Krüll will die " Geschichte" der Menschwerdung "neu erzählen", neu nicht nur in dem Sinne, daß sie alles zusammenträgt, was die humanbiologische Forschung zutage gefördert hat, neu auch in dem Sinne, daß sie "rekursiv" erzählt, d.h. sich als Erzählerin nicht auf Distanz hät, sondern als Betroffene "einbringt". ...
Bereits im Mutterleib ist der Mensch mehr Mensch, als wir im allgemeinen annehmen. So ist der Embryo in den ersten acht Wochen bereits Körper, wogegen der Fötus, als das Ungeborene bis zur Geburt, seinen Körper schon fühlt. In der Embryonalzeit bilden sich die meisten Körperfunktionen aus, in der Fötalzeit entwickelt sich vor allem das Großhirn, dieses rätselhafte Gebilde, das die Wissenschaft gerade erst zu erkunden beginnt. Nach allem, was wir heute wissen, wird das Gehirn nicht von Genen strukturiert, sondern ist, so die Autorin, eine Art "Bio-Computer", der neben der "Datenspeicherung" noch sein "Programm" selbst zu programmieren weiß, und zwar anhand der Erfahrungen, die er macht. Die Erfahrungen im Mutterleib werden für das Ungeborene zu einer Art "Orientierungskarte" von der Welt, eine Vorstellung, die zeigt, wie entscheidend die vorgeburtliche Entwicklung ist.
Die "Geburtskultur" wird auch mitgeprägt von dem Bild, das sich die Gesellschaft von dem Ereignis macht: Wird die Geburt als "gefährliche Krankheit" angesehen, die es durchzustehen gilt, so wird man mit ihr anders umgehen als in einer Gesellschaft, in der das Kind unter allgemeiner freudiger Anteilnahme zur Welt kommt, wie etwa auf Bali, dessen menschenfreundliche Kultur die Autorin des öfteren zum Vergleich heranzieht. In unserer Gesellschaft, in der die Klinikgeburt zum Standard geworden ist, kommen fast alle Menschen "gedopt" zur Welt, nämlich unter Einfluß von Medikamenten,
Die jeweilige "Geburtskultur" legt nach Krüll schließlich auch den sogenannten Volkscharakter fest. In von Gewalt durchdrungenen Gesellschaften, wie den westlichen, könne auch der Geburtsvorgang nur von Elementen der Gewalt belastet sein, die ihrerseits zur Konstituierung eines entsprechenden Sozialcharakters beitrügen. ... Auch in der vorsprachlichen Zeit ... nehmen Kinder im Sinne einer "Tiefenkommunikation" den atmosphärischen Kontext von Situationen wahr.
Als feministische Autorin kann Marianne Krüll nicht umhin, zum Thema Abtreibung Stellung zu nehmen. Nach ihrer "Neuerzählung" der ersten Kapitel unseres Lebens ist Abtreibung zwangsläufig Tötung, die allerdings nicht allein der Frau anzulasten sei, sondern der Gesellschaft insgesamt, die sich in "scheinheiliger Heuchelei" über ihr allgemeines Gewaltpotential hinwegtäusche. Das Fazit der Autorin, zugleich düstere Analyse wie Appell: "Wenn sich in unserem Kulturkreis ein Menschenbild entwickelt hat ..., das mehr oder weniger nur den erwachsenen Menschen umfaßt, dann können die Menschen bei uns auch ihre Verbundenheit mit dem Ursprung, im weitesten Sinne mit der Natur, nicht mehr erkennen."

"intra" März 1990. Gabriella Selva:
Die Autorin rückt in diesem Buch einen Lebensabschnitt in den Fokus der Aufmerksamkeit, dem in den meisten psychologischen Betrachtungen über den Menschen wenig Beachtung geschenkt wird: das vorsprachliche Leben als Fötus, Säugling und Kleinkind. Dann zeigt sie, welch drastische Änderungen mit dem Eintritt in die Sprache verbunden sind. Im Untertitel verspricht sie, diese ersten Kapitel unseres Lebens neu zu erzählten. Sie hält dieses Versprechen gleich zweifach: Einmal, indem sie das Mensch-Werden als ihre persönliche Geschichte erzählt ... (und indem sie einen) rückbezüglichen Denkstil (anwendet), d.h. die Einsicht (hat), dass das Denken und Erkennen eines Menschen immer mit seiner Geschichte zusammenhängt.

"Schweizer Hebamme" April 1994. Lisa Frankhauser:
Marianne Krüll erzählt in ihrem Buch über die Entwicklung während der Monate im Bauche unserer Mutter und der darauffolgenden vorsprachlichen Zeit unseres Lebens. Während der Lektüre dieses Buches entstand wirklich ein Kind, mit jeder weiter gelesenen Seite wurde es grösser und reifer: Sich entwickelnde Augen wurden sehend, Ohren hörend, die Hände und Füsse tastend und fühlend ... Schon als Embryo stehen wir laut Marianne Krüll unter dem Einfluss unserer Umgebung. Diese Gedanken sind sicherlich für viele Hebammen nicht neu. ... Neu aber war ... die Einsicht, dass sich diese Umgebung auch körperlich, in unserem Nervensystem nämlich, niederschlägt. ... So gibt es also nicht Anlage und Umwelt oder, anders gesagt, Vererbung oder Einfluss der Gesellschaft auf den Lebenslauf eines jeden Individuums. ... das eine ist ohne das andere nicht denkbar ... die Lebensgeschichte eines jeden von uns ist einerseits festgelegt, ... andererseits auch flexibel und offen. ... Marianne Krülls Buch ist nicht nur Fachlektüre, es ist ein Lesevergnügen zugleich. Dass es ihr gelungen ist, Fachwissen als spannende Geschichte zu erzählen, die alle von uns erlebt haben, macht das Buch äusserst wertvoll. Den Hebammen, Müttern, Vätern und anderen Wissbegierigen sei es als eine packende Geschichte ... empfohlen.

"Psychologie Heute" Januar 1990. Dagmar Metzger:
Für Marianne Krüll gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Geburtskultur und "Volkscharakter" im Sinne spezifischer kollektiver Persönlichkeitsmuster. ... Die Geburt als alles entscheidendes Erlebnis im menschlichen Leben? ... An diesem Punkt bringt Marianne Krüll die Sprache ins Spiel: ... sie ermöglicht nach Marianne Krülls Meinung die Chance, Verwirrungen und Defizite aus der vorsprachlichen Zeit zu überwinden. ... Ihr Buch enthält nicht nur den bemerkenswerten Ansatz einer Theorie vorgeburtlicher und frühkindlicher Sozialisation, sondern auch eine stringente, aber dennoch umfassende Zusammenfassung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Zeit zwischen Zeugung und Spracherwerb des Kleinkindes.

"Neue Zürcher Zeitung" März 1990. O.N.:
Marianne Krüll erzählt ihre Geschichte des Menschwerdens in der Wir- oder Ich-Form, und sie erzählt sorgfältig und liebevoll. Selbst komplizierte physiologische oder neurologische Zusammenhänge werden für den Laien verstehbar ... Ihr Bericht kann als eine spannende Reise durch die menschliche Vor- und Frühzeit charakterisiert werden.

"Wir Eltern" Juli 1989. Silvia Hoffmann:
"Die Geburt ist der Start in ein neues Leben. Was war davor? Es war etwas vollkommen anderes. So verschieden von dem draussen, dass wir es uns kaum vorstellen können. Und doch war das der wahre Anfang unseres Lebens. ... Wir erinnern uns nicht bewusst daran, weil die Spuren überlagert sind von allem, was später hinzugekommen ist. Aber wir können versuchen, uns das auszumalen, uns ein genaueres Bild davon machen, mit Hilfe der Informationen, die aus der pränatalen Forschung seit einigen Jahren bekannt sind.
Marianne Krüll, Soziologin an der Universität Bonn und seit acht Jahren mit diesem Thema beschäftigt, (beschreibt) die sinnlichen Wahrnehmungen und Befindlichkeiten eines Kindes im Uterus. ...
Es ist (jedoch) nicht richtig, dass alles, was in der pränatalen Phase, bei der Geburt, in der frühen Säuglingszeit passiert, so endgültig prägend und nicht wiedergutzumachen für einen Menschen ist. (Die Autorin zitiert) Alfred Tomatis, (der) mit seinen aufsehenerregenden Therapieerfolgen bei autistischen Kilndern das Gegenteil bewiesen (hat). Indem er mit dem sogenannten "Elektronischen Ohr" den vollkommen in sich selbst zurückgezogenen Kindern die Stimme ihrer Mutter so gefiltert vorspielte, wie sie diese während der Schwangerschaft gehört haben, führte er sie langsam auf die Geburt zu und liess sie den Akt des Geborenwerdens akustisch noch einmal erleben. In der Folge blühten diese Kinder auf, begannen, Kontakt mit ihrer Umwelt aufzunehmen! Es ist möglich, sagt Marianne Krüll, Erinnerungen aus der pränatalen Phase in die nachgeburtliche Phase herüberzuholen und das, was gespeichert war, umzustrukturieren.

"Familiendynamik - Interdisziplinäre Zeitschrift für systemorientierte Theorie und Praxis" Juli 1990. Jürgen Hargens:
Schon immer hat sich Marianne Krüll dafür stark gemacht, Forschung in allen Wissenschaften psycho-soziologisch zu begreifen, die Zusammenhänge zwischen theoretischen Entwürfen und Theoretikern zu sehen und als wesentliches Element der Wissenschaft zu berücksichtigen. Und da nimmt Krüll sich selber nicht aus - sie hat jetzt "ihre" Geschichte geschrieben ... Herausgekommen ist eine faszinierende Reise durch die Geheimnisse der Menschwerdung. ...
In ihre Geschichte der vorgeburtlichen Entwicklung integriert Krüll vorhandene Erkenntnisse zu einem neuen Ganzen. Sie "versetzt" sich nicht einfach in den Embryo oder Fötus hinein/zurück, sondern beschreibt, ... welche Möglichkeiten denkbar sind und welche Fragen "Wissenschaft" nicht hat beantworten können. ... Krüll weist immer wieder darauf hin, daß wir Teil eines Musters sind, das weit über uns hinausreicht - Muster von Mustern, Programmierung der Programmierung, Steuerung der Steuerung-: diese rekursiven Prozesse kennzeichnen unsere Entwicklung, ... finden aber in der traditionellen männlichen Wissenschaft kaum Erwähnung. ... Mögen diese Geschichten, das ist der Wunsch des Rezensenten, viele andere Geschichten gebären, in Bescheidenheit, Demut und Ehrfurcht "vor dem Nicht-Kontrollierbaren, Nicht-Machbaren, dem Unnennbaren, das wir nie erfassen und erkennen können, eben weil wir Menschen sind".

"COSMOPOLITAN" Dezember 1989. Auszüge aus einem Interview mit Marlet Schaake:
(Vorbemerkung:) Marianne Krüll, Soziologin, Dozentin an der Universität Bonn, Autorin verschiedener Bücher und Mutter zweier Töchter, hat ein Buch über die pränatale Phase geschrieben. Acht Jahre recherchierte die Autorin, interviewte Fachleute in Europa und Amerika, beschäftigte sich intensiv mit Medizin, im speziellen mit Neurophysiologie, schaute sich Film- und Ultraschallmaterial über das Leben im Mutterleib an. Marianne Krülls Buch ist keine trockene wissenschaftliche Abhandlung, sondern beinahe ein Abenteuerroman, eine Entdeckungsreise zu den allerersten Wurzeln des Ichs. ...
(Marlet Schaake:) Sie wollen aufklären?
(Marianne Krüll:) Ich wünsche mir, daß mein Buch andere Menschen anregt, sich ihre Geschichte auch einmal so zu erzählen. Denn viele Probleme, mit denen wir uns später im Leben herumschlagen, bekommen eine andere Wendung oder sogar eine Lösung, wenn wir das vorgeburtliche Leben mit unserem Jetzt in Zusammenhang bringen. ...
(M.S.:) Ist also nicht alles genetisch festgelegt, vererbt, unkorrigierbar?
(M.K.:) Die Diskussion, ob "Anlage" oder "Umwelt" für die Entwicklung des Menschen entscheiden, wird hinfällig, wenn wir die Menschwerdung mit dem vorgeburtlichen Leben beginnen. Es geht nämlich ... darum, sich ein Bild davon zu machen, wie unendlich flexibel die Natur des Menschen ist, wie wir schon als Embryo unter dem Einfluß unserer Umgebung zu einem bestimmten Organismus mit bestimmten "Bedürfnissen" werden, wie ... unser Nervensystem ... und unsere Sinne sich durch die Aufnahme von Reizen verändern und strukturieren.
(M.S.:) Sie meinen, daß unsere Entwicklung im Uterus hauptsächlich durch Stimulation erfolgt?
(M.K.:) ... Bis vor wenigen Jahren glaubte man, daß das menschliche Zentralnervensystem erst voll funktionsfähig ist, nachdem es gemäß dem genetischen Programm fertig aufgebaut, gereift ist. Heute weiß man, daß das Gehirn sich überhaupt nur durch Stimulation ausbildet. Das ist eine neue und wichtige Erkenntnis. Denn sie heißt ja: Nichts ist von vornherein eindeutig festgelegt.
(M.S.:) Warum halten dann viele Wissenschaftler an der Vererbungstheorie fest?
(M.K.:) Weil sie so bequem und einfach ist. Sie gibt auf alles eine Antwort. Wenn man irgendein Verhalten nicht vesteht: Vererbung. Man braucht keine zwischenmenschlichen Zusammenhänge mehr zu erkennen, braucht sich nicht verantwortlich zu fühlen. Bequemer geht's nicht!
(M.S.:) Welche Erfahrungen machen wir denn nun im Mutterleib?
(M.K.:) Mit Hilfe des Ultraschalls hat man gesehen, daß Föten ab der siebenten Woche Arme und Beine strecken, ... ab der zehnten Woche sind Saug- und Schluckbewegungen zu sehen. ... Eine der eindrucksvollsten Bewegungen ist der Purzelbaum. ... Sehr deutlich auch die Eigenstimulation durch Hände am Mund. ... Kinder hören im Bauch die Stimme ihrer Mutter. ... Sie nehmen schon als Ungeborene musikalische Muster auf und speichern sie. ...
(M.S.:) Welche Auswirkungen hat das Verhalten der Mutter?
(M.K.:) Eine lebhafte, aktive Mutter liefert dem Kind andere Muster als eine körperlich passive. Entscheidend ist auch, wie eine Frau zu ihrer Schwangerschaft eingestellt ist, ob sie ungewollt ist oder die beglückende Erfüllung ihrer Wünsche; ... wie ihre gesamte Lebenssituation ist. ... Die Beziehung zwischen Mutter und Kind ist eine Art "Tiefenkommunikation". Es handelt sich einerseits um hormonale und auf andere Weise biochemisch übermittelte körperliche Zustände, außerdem aber um eine Kommunikation, für die es keine rationale Erklärung gibt. ... Man hält es zum Beispiel für möglich, daß sie gemeinsam zu einer "Übereinkunft" über den Zeitpunkt der Geburt kommen. ...
(M.S.:) Schütten Sie mit Ihrem Buch nicht Wasser auf die Mühlen der Abtreibungsgegner?
(M.K.:) Zu wissen, wie lebendig der Fötus im Mutterleib ist, müßte uns alle mobilisieren, Sorge dafür zu tragen, daß Frauen nicht ungewollt schwanger werden. Außerdem finde ich, daß eine Frau, die sich zum Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft entschließt, weil sie die Verantwortung für ein Kind angesichts der Menschenfeindlichkeit unserer Welt nicht übernehmen will, verantwortungsvoller handelt als diejenigen, die sie deshalb anprangern. ... Ein Kind, das seinen Eltern, besonders seiner Mutter eine Last ist, kann nur in Ausnahmefällen zu einem Menschen heranwachsen, der mit sich und der Welt eins ist. Mein Buch ist ein Versuch, diese Zusammenhänge deutlich zu machen.

 
 
Seitenanfang
 
 
| Lebenslauf | Schriftstellerin | Vortragende | Zuhörende | Entdeckerin |
| Links | Kontakt | Termine | Hausseite | Start |
 
  © Bonn 2001 - 2011, Dr. Marianne Krüll http://www.MarianneKruell.de